Rotkopfwürger Michele Lamberti (via Wikimedia Commons)
22.05.2024

Keine Sparübungen auf dem Buckel der Natur

Am 22. Mai begehen wir den Internationalen Tag der Biodiversität. Dieser erinnert daran, dass es für den Schutz von Lebensräumen, Arten und genetischer Vielfalt weltweit, gerade aber auch in der Schweiz und im Baselbiet viel grössere Anstrengungen braucht, um den Verlust der Biodiversität zu stoppen und umzukehren.

Seit 1900 gingen in der Schweiz 7'594 km² besonders artenreiche Lebensräume wie Trockenwiesen, Auen und Moore verloren. Dies entspricht fast einem Fünftel der Landesfläche. Ein Drittel aller ehemals in der Schweiz heimischen Tier- und Pflanzenarten sind gefährdet oder bereits ausgestorben. Die Hälfte der verbleibenden Lebensräume ist gefährdet, insbesondere Feuchtgebiete und Gewässer.

Die Schweiz sieht sich gerne --- aber zu Unrecht --- als Vorreiterin. Besonders beim Schutz unserer natürlichen Lebensgrundlagen trifft dies nicht zu. Da hilft auch die Schönfärberei des Bundesamts für Umwelt unter Bundesrat Albert Rösti nicht.

Der Anteil der gefährdeten Brutvogel-, Reptilien-, Amphibien- und Süsswasserfischarten ist in der Schweiz deutlich höher als in unseren Nachbarländern Österreich, Deutschland, Italien und Frankreich. Beispielsweise stehen fast 70\% der einheimischen Fischarten auf der Roten Liste, d.h. sie sind gefährdert oder gelten bereits als ausgestorben. Im gesamteuropäischen Vergleich schneidet die Schweiz gar noch schlechter ab.

In den letzten Jahren hat sich die Situation weiter verschlechtert. Trotzdem betrachten Bund und Kantone den Schutz und die Förderung der Biodiversität, unserer Lebensgrundlage, häufig nach wie vor als optionale Aufgabe, die trotz vielfältiger gesetzlich festgeschriebener Pflichten im besten Fall nur dann wahrgenommen wird, wenn es die Bundes- bzw. Kantonsfinanzen gerade zulassen.

Vor zwei Monaten hat Finanzdirektor Anton Lauber die Jahresrechnung 2023 des Kantons Basel-Landschaft mit einem Defizit von 94 Millionen Franken präsentiert. Es ist zu befürchten, dass drohende Budgetkürzungen gemäss dem Matthäus-Effekt --- «Wer hat, dem wird gegeben», und vice versa --- insbesondere auch diejenigen Bereiche treffen werden, die schon seit langer Zeit unterdotiert sind.

Während der Kanton Basel-Landschaft in vielen Bereichen klotzt, kleckert er im Bereich Natur- und Landschaftsschutz. Bereits aus dem Lagebericht zur Situation der Natur im Kanton von 1988 und dem 1990 vorgelegten Massnahmenkatalog der kantonalen Naturschutzfachstelle ist klar ersichtlich, dass die Fachstelle personell und finanziell unterbesetzt war und innerhalb der kantonalen Verwaltung infolge ungenügender Gewichtung des Natur- und Landschaftsschutzes eine schwache Position hatte.

Mittlerweile ist ein Drittel Jahrhundert verstrichen, und die Situtation präsentiert sich nach wie vor besorgniserregend. Der Verlust an wertvollen Lebensräumen und das Verschwinden von Arten ging in dieser Zeit ungemindert weiter.

Ein Beispiel dafür ist der Rotkopfwürger, eine äusserst attraktive Vogelart, die sich von Grossinsekten ernährt und früher in bis zu drei Brutpaaren pro Quadratkilometer in dorfnahen Obstgärten nachgewiesen werden konnte. In den 50er-Jahren noch über das gesamte Mittelland, den Haupttälern des Wallis und des Tessins weit verbreitet, brüteten Anfang der 90er Jahre noch rund 20 Paare im Baselbieter und Aargauer Jura. 2009 wurde am Farnsberg die letzte Brut des Rotkopfwürgers gesichtet. Seither gilt der Rotkopfwürger in der gesamten Schweiz als ausgestorben.

Der Rotkopfwürger steht sinnbildlich für die Verantwortung, die auch das Baselbiet für den Erhalt der Biodiversität trägt, aber leider nach wie vor nicht genügend wahrnimmt. Die Bestrebungen der kantonalen Fachstelle für Natur und Landschaft und der übrigen kantonalen Verwaltung reichen nicht aus. Auch die vielen Bemühungen privater Naturschutzorganisationen können die Versäumnisse der öffentlichen Hand nicht kompensieren.

Pro Natura Baselland fordert deshalb Regierungsrat und Landrat dazu auf, im Rahmen der kommenden Budgetdebatten auf Abstriche im Natur- und Landschaftsschutz zu verzichten und im Gegenteil diesem Bereich endlich den Stellenwert einzuräumen, den er verdient.

Heute in exakt vier Monaten stimmen wir über die eidgenössische Initiative «Für die Zukunft unserer Natur und Landschaft (Biodiversitätsinitiative)» ab. Diese fordert mit ihrem sehr offen gehaltenen Initiativtext Flächen, Mittel und Instrumente zur Sicherung und Stärkung der Biodiversität. Es ist höchste Zeit.

Bilder

Gerne hätten wir Ihnen ein zum Beitrag passendes Bild eines Rotkopfwürgers aus unserer Region zur Verfügung gestellt. Da der Rotkopfwürger jedoch im Baselbiet und der gesamten Schweiz als ausgestorben gilt und nur noch als Zugvogel beobachtet werden kann, müssen wir Sie auf andere Quellen verweisen.

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Anfragen richten Sie bitte an:

  • Thomas Fabbro, Co-Geschäftsführer Pro Natura Baselland, 077 511 43 73, @email
  • Thomas Zumbrunn, Co-Geschäftsführer Pro Natura Baselland, 079 776 35 73, @email

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